(Der Beitrag wird laufend aktualisiert.)
Immer wieder dokumentieren recherchierende Antifas, wie sich AfD- und JA-FunktionärInnen sowie Identitäre in Deutschland näher kommen. Ideologisch ist man auf einer Linie, jedoch ist es unbequem, dass der Verfassungsschutz in acht Bundesländern Identitäre beobachtet. Unbequem, wenn auch noch die AfD ins Visier der staatlichen Behörden gerät. Wie sich die Beziehung zwischen Identitären und AfDlerInnen gestaltet, wird nachfolgend beispielhaft dargestellt.
++Oktober 2016: Vom einstigen „Unvereinbarkeitsbeschluss“, der AfD und Identitäre betraf, hat sich die AfD offenkundig verabschiedet. In einem Interview erklärte AfD-Vize Alexander Gaulender, er sehe „überhaupt nicht ein, warum wir mit der Identitären Bewegung zusammenarbeiten sollten, denn die können alle zu uns kommen“.
(Einen ähnlichen Beitrag, der auch auf die FPÖ in Österreich eingeht, gibt es hier nachzulesen!)
Sympathie-Bekundungen
Christina Baum (Vizechefin AfD Baden-Württemberg): sie schlägt sich im August 2016 in einem Leserbrief der Fränkischen Nachrichten auf die Seite der Identitären:
In der Begründung zur Beobachtung der „Identitären Bewegung“ (ID) durch den Verfassungsschutz las ich Folgendes: Die ID wendet sich gegen Multikulti-Wahn, unkontrollierte Massenzuwanderung und den Verlust der eigenen Identität durch Überfremdung. Nach dieser Begründung müssten wahrscheinlich mindestens 50 Prozent der Bevölkerung beobachtet werden. Auch ich natürlich, denn auch ich lehne die Entwicklung Deutschlands zu einer multikulturellen Gesellschaft (…) vehement ab.
Holger Arppe (Rostocker AfD-Landtagskandidat): macht sich bei einer „Compact“-Veranstaltung in Schwerin für die Identitären stark – er nahm am Podium mit André Poggenburg seil – kommen sollen hätte auch Martin Sellner (IB Österreich), blieb aber der Veranstaltung fern. Trotz offiziellem „Unvereinbarkeitsbeschluss“ zwischen AfD und Identitären ist Arppe voll des Lobes:
Die Leute von der IB sind intelligent. Die sind klug, die sind gewitzt, die sind kreativ und genau deswegen hat das System Angst vor diesen Leuten und hetzt ihnen den Verfassungsschutz auf den Hals.
Björn Höcke (AfD Thüringen): 2014 bezeichnete Björn Höcke, Vorsitzender der AfD im Bundesland Thüringen, in einem Interview mit der Blaue Narzisse die AfD selbst als „identitäre Kraft“– zu dem Zeitpunkt war schon klar, wie dieser Begriff besetzt ist und wer sich so bezeichnet. In einem Interview mit der ARD („Monitor“) verharmlost er Identitäre: laut ihm sind es bloß junge Menschen, die sich „Sorgen um Europa machen“.
Hans-Thomas Tillschneider (AfD Sachsen-Anhalt, Landtagsabgeordneter): Tillschneider gehört wie Höcke zu „Der Flügel“, dem rechtesten Flügel der AfD an. Er ist Vorstandsmitglied der „Patriotischen Plattform“ (einem Zusammenschluss von AfD-Mitgliedern) und gehört zum organisatorischen Kern von von „einprozent“. Er hielt in Halle einen Vortrag über die Möglichkeiten einer offiziellen Zusammenarbeit zwischen der AfD und den Identitären. Beim Parteitreffen auf dem Kyffhäuser im Juni 2016 verlautbarte er:
Wir halten die Grenzen unserer Partei durchlässig, wir schließen Bündnisse mit Bürgerbewegungen und Widerstandsgruppen jeder Art, da ist Pegida, da sind die Burschenschaften, da ist die Identitäre Bewegung, da sind Bürgerinitiativen, da ist Schnellroda.
Petr Bystron (Chef der AfD Bayern): hieß im März 2016 die Identitären auf einer AfD-Demonstration willkommen:
Ich begrüße ausdrücklich die identitäre Jugend, die weiß, was Heimat bedeutet.
Jan Wenzel Schmidt (seit 2016 Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt und Landesvorsitzender der JA): hat im April 2016 auf einer Kundgebung der Identitären zu ihrer Kampagne „Stoppt den großen Austausch“ gesprochen und sie in einem Interview gelobt. Auch die JA-Ortsgruppe Hartz hat zu dieser Identitären-Kundgebung aufgerufen. In dieser Kampagne behaupten Identitäre mittels Verschwörungstheorie, dass die ganze deutsche Bevölkerung würde bewusst vom politischen Establishment ausgetauscht werden.
(AfD-MdL Jan Wenzel Schmidt als Redner bei einer Veranstaltung der IB Harz, Foto: Mario Biale)
André Poggenburg (Chef der AfD Sachsen-Anhalt): Vorsitzender AfD in Sachsen-Anhalt, hatte sich positiv zu den Identitären geäußert.
Vor wenigen Wochen schließlich forderte die „Patriotische Plattform“ auch offiziell eine engere Zusammenarbeit mit den „Identitären“:
Wir wünschen uns eine engere Zusammenarbeiten zwischen Identitärer Bewegung und AfD, denn auch die AfD ist eine identitäre Bewegung und auch die Identitäre Bewegung ist eine Alternative für Deutschland.
(Screenshot „Patriotische Plattform“)
Zu den UnterzeichnerInnen dieser Erklärung zählte unteren anderen Dubravko Mandic (Freiburger Rechtsanwalt, AfD Baden-Württembergischen):
Die Identitäre Bewegung ist mittlerweile in Baden-Württemberg in das Visier des Verfassungsschutzes geraten. Sowohl die AfD und vor allem die JA sind personell mit der IB verbunden. Dies folgt schlicht aufgrund ähnlicher politischer Zielsetzung.“
Zum Schutz der AfD (sie soll keinen Image-Schaden erleiden, weil sie auch vom Verfassungsschutz beobachtet würde) forderte Mandic aber ein Funktionärsverbot:
„Vorstände der JA oder AfD sollten nicht gleichzeitig in führender Funktion bei der IB tätig sein (…) Dies ist unser Tribut an das System.“
Dennoch plädierte er aber auch für eine „inhaltliche Zusammenarbeit“ mit den Identitären.
Mandic nahm außerdem an der Demonstration der Identitären in Wien am 11. Juni 2016 in Wien teil.
Daniel Lindenschmid (stv. Sprecher des AfD-Kreisverbandes Rems-Murr): er marschierte im Februar 2016 auf der homophoben Demonstration „Demo für alle“ in Stuttgart mit – im Block der Identitären.
Oliver Krogloth (Mitbegründer des Kreisverbandes der AfD Traunstein, Bayern): organisierte für 13. August 2016 eine Demonstration gegen Flüchtlinge. Er nahm auch an Demonstrationen der Identitären in Freilassing teil und ist mit Sebastian Zeilinger (stv. von Nils Altmieks, IB Bayern) bestens bekannt.
Übernahme identitärer Rhetorik
(Screenshot Twitter)
Was Gauland im Juni 2016 von sich gegeben hat, wurde schon 2014 von den Identitären bei ihrer ersten Demonstration in Wien skandiert.
Identitäre Aktivisten bei der AfD
Felix Koschkar (Sachsen-Anhalt, Identitärer, JA Sachsen, AfD): ist aus Leipzig, ist Burschenschafter, war bei Identitären-Demo in Wien 2014; er wird der „Patriotischen Plattform“ der AfD zugerechnet.
Michele Kurth und Martin Hoffmann (Harz): suchen ihrerseits die Nähe zur AfD. Sie nahmen an einem Grillabend als Dank für AfD-Wahlkampfhelferinnen am 14.04.2016 in Friedrichsbrunn teil.
Simon Kaupert (Compact, Einprozent, Identitäre): Mit Unterstützung des IfS realisiert die IB außerdem aufwendige Videoproduktionen, so zum Beispiel eine emotionale Antwort der AfD Bitterfeld-Wolfen auf negative Presseberichte anlässlich des hohen Wahlergebnisses der Partei in der Stadt. Diese wurde von Sellner und Kaupert produziert. Simon Kaupert, der als Gründer des Würzburger Pegida-Ablegers „Wügida“ bekannt wurde, ist mit Wiebke Nahrath liiert. Nahrath ist Tochter des langjährigen „Gauleiters“ für Unterfranken der Wiking-Jugend und Nichte von Wolfram Nahrath, Anwalt von Ralf Wohlleben im NSU-Prozess und ehemaliger Bundesvorsitzender der Wiking-Jugend.
Identitäre zeigen sich auch bei AfD-Aktionen wie z.B. als „Fluthelfer“ wie hier im Juni 2016 bei einer Aktion in Baden-Württemberg:
(Foto AfD Schwäbisch Hall)
Distanzierungsversuche
Am 10. Juli 2016 haben sich Sven Tritschler und Markus Frohnmaier, die Bundesvorsitzenden der Jungen Alternativen (JA), der Jugendorganisation der AfD von den Identitären disanziert – man möchte fortan nichts (mehr) mit einer Organisation zu tun haben, die von Verfassungsschutzbehörden beobachtet wird. Die Distanzierung ist also eine Reaktion auf die Aufmerksamkeit gegenüber den Identitären durch Behörden, es ist keine ideologische Abwendung. (Als genaueren Grund gibt Frohnmaier an, die Staatsangestellten in den eigenen Reihen nicht gefährden zu wollen.)
Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung formuliert Frohnmaier:
Antragsteller, die sich in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation betätigen oder betätigt haben, werden von uns konsequent abgelehnt.
Frohnmaier ist schon seit einiger Zeit damit beschäftigt, auszuloten, mit welchen Organisationen die JA zusammenarbeiten will. Unter den Gruppen, mit denen sich die AfD-Jugend trifft, sind beispielsweise die Jugendorganisation der Schwedendemokraten (Ungsvenskarna) , die Junge Schweizerische Volkspartei (JSVP) als auch der Ring Freiheitlicher Jugend in Österreich. (Mehr dazu hier!)
Frohnmaier gesteht ein, dass zwar JA-Mitglieder an der Identitären-Demonstration in Wien am 11. Juni 2016 teilgenommen haben, meint jedoch, dass „zu missbiligen“.
Bernd Grimmer, Sprecher des AfD-Landesverbandes, stellt sich gegen Dubravko Mandic. Wie Mandic ist auch Grimmer im Landesschiedsgericht der AfD in Baden Württemberg. „Es gib keine Zusammenarbeit mit der Identitäteren Bewegung“, behauptet Grimmer. Petry und Pretzell wollen für die AfD einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur Zusammenarbeit mit der IB.
Scharnierffunktion „Einprozent.de“
Auch wenn offiziell Distanzierungen erfolgen, über die Plattform Einprozent.de sind die Verbindungen zwischen Identitären und AfD ungebrochen – so wird für die AfD Sachsen-Anhalt ein Video zu Bitterfeld-Wolfen produziert, das das Image der AfD-Hochburg aufpolieren sollte.